Mieten Graffiti in Berlin Foto: Arthur Kaiser CC BY-SA 3.0

Wie ein fairerer Mietendeckel für Berlin aussieht

Der Berliner Senat diskutiert gerade den Mietendeckel, alias Mietenstopp mit den extremsten regulatorischen Eingriffen seit der Nachkriegszeit. Mietobergrenzen mit der Möglichkeit in bestehenden Mietverhältnissen die Miete zu senken, die einmal rechtlich korrekt vereinbart wurde, ist das entscheidende Novum. Bisher griffen Mietpreisbremse & Co erst bei Neuverträgen nach ihrer Einführung. Die Legislative hat sich zum größten Risiko für Vermieter entwickelt. Unabhängig davon ob Berlin als Bundesland verschärfende Regelungen im Mietrecht aufstellen darf und der Frage der Verhältnismäßigkeit gibt es ausgewogenere Alternativen.

Das Problem

Das Problem in Berlin ist der extreme Anstieg der Neuvertragsmieten in der letzten Dekade. In keiner anderen Metropole in Deutschland wurde es so schnell so viel teurerer eine Wohnung zu mieten wie in Berlin. Daraus ergeben sich auch enorme Unterschiede bei der Miethöhe zwischen neuen und alten Mietverträgen. Gerade diese Unterschiede haben Spekulanten in Scharen nach Berlin getrieben, um Immobilien zu kaufen, aufzuwerten und durch die Modernisierungsumlage Altmieter zu vertreiben. Bei der Neuvermietung lockte gern auch das Dreifache der vorherigen Miete. Auf Bundesebene wurde dieses Jahr die Umlage auf 8% der Kosten pro Jahr und abhängig von der Vormiete auf 3 € bzw. 2 € pro Quadratmeter in 6 Jahren beschränkt. Damit funktioniert die Verdrängung per Modernisierung in den meisten Fällen nicht mehr, lässt aber genügend Spielraum für Vermieter, die ihre Immobilie langfristig halten und über die Zeit modernisieren. Auch die Mietpreisbremse ist schärfer geworden. Gerade in Berlin haben sich findige Startups darauf spezialisiert die Beschränkungen und Ansprüche daraus ohne Kostenrisiko für den Mieter durchzusetzen.

Durschlagende Effekte

Das Problem ist für die Altmieter aber dadurch nicht aus der Welt. Die Mietpreisbremse bezieht sich auf den Mietenspiegel, der wegen hohen Neuverträgen sogar mehr als die erlaubten 15% Mieterhöhung alle drei Jahre zulässt. Zudem steigen im nahezu gleichem Tempo die Betriebskosten. Gehälter und vor allem Renten steigen deutlich langsamer. Dadurch muss ein immer höherer Anteil der Einkommen fürs Wohnen ausgegeben werden, bis das Geld zum Leben nicht mehr reicht. Gerade (Früh-) Rentner, die teils Jahrzehnte in ihren Wohnungen leben, bekommen das zu spüren. Die Neuvermietungsmieten schlagen auf den Mietspiegel durch, was sich in Mieterhöhungen im Bestand widerspiegelt, was wiederrum auf den Mietspiegel durchschlägt.

Interessensausgleich beim Mietendeckel

Mit dem „atmenden“ Mietenstopp und Mietendeckel versucht der Senat nun diese Spirale zu durchbrechen. Maximalmieten auf der Grundlage des Mietenspiegels von 2013, Modernisierungsumlage von maximal 1 € pro Quadratmeter und Mieterhöhungen von maximal 1,3 % pro Jahr sollen die Anstiegsdynamik abwürgen. Mieten über dem Mietendeckel sollen sogar auf Antrag vom Amtsegen sinken, sofern die Mieter mehr als 30% des Einkommens für die Miete ausgeben. Für Mieter bedeutet das zunächst eine gewisse Entspannung. Sie werden die kommenden Erhöhungen der Einkommen und Renten nicht für die Miete ausgeben müssen. Einige werden ihre Miete sogar senken können. Grundsätzlich besteht das Interesse der Mieter darin, möglichst wenig Miete zu zahlen, bestenfalls nichts. Instandhaltung und Modernisierung muss der Vermieter zahlen, natürlich aus eigener Tasche.

Vermieter hingegen müssen sich mit Mietern herumschlagen, die genau das tun und schlimmstenfalls auch noch die Wohnung verwüsten bevor sie weiterziehen. Zins und Tilgung müssen beglichen werden, das Hausgeld gezahlt. Für rechtliche Auseinandersetzungen mit Mietern und Eigentümergemeinschaften sowie Instandhaltung muss Geld angespart werden. Die Verwaltung kostet ebenso Geld wie Makler bei der Neuvermietung. Nach all diesen Kosten sollte möglichst noch etwas übrigbleiben. Sonst hätte man sein Eigenkapital auch stressfreier in Gold stecken oder an der Börse investieren können. Gold und Börsenkurse können sinken, Mieten nicht. Steigende Kosten ließen sich auch durch Mietsteigerungen kompensieren, sodass am Ende das Gleiche übrigblieb. Zumindest war das bisher das Grundgerüst jedes Immobilieninvestments und jeder Finanzierung. Das soll in Berlin nicht mehr gelten.

Mieter brauchen Vermieter

Wenn die Mieten nicht mehr sicher und die Immobilienanlage zu einem noch größeren Risiko wird, baut niemand mehr Mietwohnungen. Vermieter verkaufen dann ihre Bestandwohnungen an Selbstnutzer, statt sie zu vermieten. Wenn der letzte Altmieter gestorben und die letzte Mieter-Familie in den Speckgürtel gezogen ist, werden diverse Kieze nur noch von wohlhabenden Immobilieneigentümern bewohnt oder stehen die meiste Zeit als Zweitwohnung leer. Neu-Berliner, Familien die Kinder bekommen und Senioren in Altbauten ohne Fahrstuhl werden nichts Passendes finden und mangels Angebot „verdrängt“.

Was der Senat tun muss

  • 1. Mietendeckel bei 10% oberhalb der oberen Mietspiegelwerte ohne Möblierungszuschläge sowie Modernisierungszuschläge von höchstens 3 € pro Quadratmeter für Modernisierungen der letzten 10 Jahre bei Neuvermietung. Dadurch würden laufende Verträge nicht angefasst, der Druck auf den Mietspiegel durch Neuvermietungen aber gesenkt und Schlupflöcher geschlossen.
  • 2. Mieterhöhungen sind bereits im Bundesrecht beschränkt auf 15% innerhalb von 3 Jahren. Der Berliner Senat kann sich dem Hamburger Senat auf Bundesebene anschließen und sich für eine weitere Absenkung der Erhöhungsmöglichkeiten einsetzen.
  • 3. Mieterzustimmung bei Modernisierungsmaßnahmen würde unnötige und miettreibende Modernisierungen verhindern. Bei für den Eigentümer verpflichtenden Maßnahmen wie energetischen Sanierungen ergibt auch für den Mieter eine Zustimmungspflicht. Wie bei Mieterhöhungen müsste aber der Vermieter nachweisen, dass die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und er auch Fördermöglichkeiten in Anspruch genommen hat. Der Senat muss dafür eine Bundesratsinitiative starten.
  • 4. Bauen, bauen, bauen und einen Teil per Mietkauf an Mittelschichtsfamilien verkaufen. Aufgrund hoher Preise und Kaufnebenkosten benötigen Immobilienkäufer sehr viel Eigenkapital. Damit Mittelschichtsfamilien zu Wohneigentum kommen und Ghettobildung verhindert wird, können die städtischen Wohnungsbaugesellschaften einen Teil der Neubauten per Mietkauf verkaufen. Angewendet könnte hierbei der Drittelmix aus sozial geförderten Wohnungen, Mietwohnungen und Mietkauf-Wohnungen.
  • 5. Der Senat und die Bezirksämter müssen Baupflicht bei Baugenehmigungen und kurze Gültigkeitsdauer einführen, damit die Spekulation mit Baugrundstücken erschwert und mehr gebaut wird.

Was schadet

Der Mietendeckel in seiner jetzigen Form sorgt für Unsicherheit auf dem Markt und schreckt bauwillige Investoren ab. Bauherren müssen sich darauf verlassen, dass die Bedingungen nicht schlechter werden und ihre Kalkulation aufgeht. Ein weiteres Bürokratiemonster im Bereich der Vermietung, wie jetzt geplant, wirkt nicht baubeschleunigend und schreckt kleine soziale Vermieter zusätzlich ab.

 

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